Als Rihannas Song „Umbrella“ in Großbritannien am 14.5.2007 herauskam, brach ein paar Tage später eine der größten Regen- und Flutkatastrophen der britischen Geschichte über den auch sonst nicht regenarmen Inselstaat herein. Ähnliches wurde aus Rumänien und aus Neuseeland berichtet. Wenn man nicht so stark im Glauben an die modernen Naturwissenschaften (hier: die Meteorologie) verankert wäre, könnten man glatt glauben, dass an „Rihannas Curse“, wie das Phänomen von der Presse getauft wurde, wirklich etwas dran sei - abgesehen davon, dass Regen und Regenschirm dem Song nur als Metapher dienen. Diese moderne Version von Montezumas Rache hat dann dem kommerziellen Erfolgs des Tracks auch keinen Abbruch getan, vielleicht sogar im Gegenteil. Er brach schnell alle Rekorde, stand überall in der Welt für Wochen auf den ersten Chartplätzen und bewirkte, dass die gerade mal 19-jährige Sängerin aus Barbados endgültig im Popolymp ankam, wo sie immer noch residiert. Dabei sah der Beginn ihrer Leben nicht unbedingt nach einem derartigen Erfolg aus: Am 20.2.1988 als Robyn Rihanna Fenty in Saint Michael auf Barbados, der kleinen verschlafenen Karabikinsel, geboren, kam zeitig Unbill in Form eines Crack-süchtigen Vaters, einem Lagerverwalter, auf sie herab, was zu mysteriösen und andauernden Kopfschmerzen führte, die sich erst legten als sich die Eltern scheiden ließen als Rihanna 14 war. Angeblich war sie es auch, die ihren Vater beim Drogenkonsum erwischte und so der bewegten Ehe ihrer Eltern ein Ende brachte. Diese Jugend hat sie „stark gemacht“ und ihr eine „dicke Haut“ verschafft, was sich auch in einem spiegelverkehrten Tatoo auf ihrer Brust ausdrückt, das „Never a failure, always a lesson“ besagt, ihr Lebensmotto.
Ihre Karriere begann kurz danach mit 15, als sie mit zwei Klassenkameradinnen eine Girlgroup ohne Repertoire und Namen gründete, allerdings soll sie schon seit ihrem siebten Lebensjahr singen (was immer das heißen mag). Zur Hilfe kam ihr dann der Umstand, dass das verschlafene Barbados ein beliebtes Ferienparadies ist, so auch im Sommer 2003 für den Hitproduzenten Evan Rogers (Christina Aguileira, Boyzone, Jessica Simpson u.a.) und seine Frau Jackie. Die drei Mädels schafften es durch die Vermittlung von Freunden, Rogers vorzusingen, wobei Rihanna, die beiden anderen Mädchen, deren Namen demzufolge auch nicht überliefert sind, komplett die Show zu stehlen vermochte. Rogers: “...the minute Rihanna walked into the room, it was like the other two girls didn't exist." Ihr Aussehen (Rihanna gewann u.a. eine Miss-Wahl an ihrer Schule), ihr Auftreten (trotz Schüchternheit) und gewisse Gesangsqualitäten, die aber noch nicht perfekt zu nennen waren (und es auch wohl noch immer nicht sind), überzeugten den Produzenten aus Stamford, Connectictut, um mit ihr eine Karriere zu planen. Bis sie 16 war, pendelte sie mit ihrer Mutter zwischen Barbados und den USA, bis Rihanna dann ganz in die Staaten übersiedelte, um mit Rogers und seinem Companion Carl Sturken in den Ferien ein Demo aufzunehmen. Dieses Demo landet schließlich bei Def Jam, der Plattenfirma von Rap-Superstar und Großunternehmer Shawn „Jay-Z“ Carter, der sie nach einem Vorsingen postwendend unter Vertrag nimmt.
Ihr Debutalbum „Music of the Sun“ kam im August 2005 heraus und verkaufte sich weltweit über 2 Millionen mal, und enthielt ihre erste Single „Pon de Replay“, ein Song von ihrem Demo, die ein weltweiter Erfolg wird. Die Produktion wurde von international erfolgreichen Teams durchgeführt, neben Roger & Sturken waren auch die Norweger Stargate beteiligt. Die Vermarktung war auf Rihannas karibischen Hintergrund zugeschnitten und lief unter dem Label „Reggae“, obwohl eher wenig Reggae-Elemente in der Musik zu finden sind. Trotz des Erfolgs kam das Debut bei der Kritik nicht sonderlich gut an, neben Verweisen auf musikalische und stilistische Ähnlichkeiten mit der damaligen Freundin von Jay-Z, Beyoncé Knowles, wurde auch frühzeitig auf gesangstechnische Unzulänglichkeiten hingewiesen. Das tat dem Erfolg aber wie so oft keinen Abbruch und mit „Girl Like Me“, wiederum aus ähnlichen Zutaten wie das erste Album zusammengerührt, erschien im April 2006, knapp acht Monate nach ihrem Debut ihr zweites Album. Diese mal war ihr erster Nummer-Eins-Hit in den USA „SOS“ dabei, ein Rip-off von „Tainted Love“ von Soft Cell, sowie ein weiterer weltweiter Hit „Unfaithful“. Die Kritiker hielten auch diesmal nicht viel von der Platte, so schrieb etwa der Rolling Stone: “Like her filler-packed debut album, this similar but superior follow-up doesn't deliver anything else as ingenious as its lead single." Die Musik von Rihanna bewegte sich derzeit auf zwei Schienen: Tanzorientierte, harmlose, „irgendwie-karibischm, irgendwie-hip-hop, irgendwie-Rr&B” inspirierte Stücke (wie SOS) und theatralische Balladen (wie „Unfaithful”).
Der Durchbruch zum internationalen Superstar kam dann mit dem dritten Album „Good Girl Gone Bad“, das Ende Mai 2007 erschien. Damit einher ging ein Imagewechsel und Änderungen in der Produzentenliste, die jetzt auch Justin Timberlake, Timbaland, Ne-Yo und Tricky Stewart umfasste. Das Album wandte sich mehr dem Dance Pop zu, das Ganze wurde als das „Erwachsenwerden“ („Gone bad“) des unschuldigen Teenagers aus der Karibik („Good Girl“) vermarktet. In der Tat ist ein Stilwechsel zu verzeichnen, nicht nur in der Musik, sondern auch in den Texten, mit diversen „Bad Girl“-Themen, und nicht zuletzt auch bei der Person Rihannas, die sich weg von Beyoncé-Imitat hin zu mehr Glamour und Haute- Couture-Klamotte bewegte, was ihr dann wiederum Vergleiche mit Janet Jackson einhandelte. Das Album toppte schnell alle internationalen Rekorde, die hier aufzuzählen müßig ist (wozu gibt es Wikipedia?), und es wurden nicht weniger als sieben Singles ausgekoppelt, wovon fast jede ein weltweiter Hit wurde. Auch die Kritiker waren diesmal mehr angetan. Die erste Sinlge und der größte Hit vom dritten Album ist „Umbrella“, dem wir uns weiter unten ausführlicher widmen werden. Und, klar, auch dieser Song brach einige Rekorde.
Der Rest ist schnell erzählt, wenn man mal von der Äffare „Chris Brown“ absieht, mit dem sie zwei Jahre zusammen war und der sie verprügelt hat, wofür er zu 5 Jahren auf Bewährung verurteilt wurde. Rihanna hat zwei weitere sehr erfolgreiche Alben veröffentlicht, „Rated R“ (2009) und „Loud“ (2010), mittlerweile ihre eigene Holding und eine Wohltätigkeitsorganisation für todkranke Kinder gegründet und sich auch anderweitig sozial engagiert. Sie wirbt weiterhin für Parfüms und Mode und ist offizielles Gesicht und Promoterin ihrer Heimatinsel. Derzeit ist kein Ende der Erfolgsgeschichte „Rihanna“ abzusehen und die Welt wird mit Sicherheit auch weiterhin von ihr zu hören und sehen bekommen.
1. Erfolgsanalyse
Rihannas Geschicht kann man relativ problemlos in die „Cinderalla“ bzw. „Pretty Woman“-Kategorie einordnen: Hübsches Mädchen aus schwierigen Verhältnissen singt dem großen Produzenten aus Amerika vor und wird von diesem zum Weltstar gemacht. Da ist natürlich auch eine Variante der „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Legende, die natürlich keine echte Legende ist, da es immer wieder Fälle wie Rihanna gibt, wo das Aschenbrödel zur Prinzessin wird, doch stehen die a priori Chancen für eine derartige Karriere immer noch schlechter als beim Lottospielen (NB: ist das wirklich so?). Interessant ist in dem Zusmmenhang auch, dass in Texten über Rihanna gerne darauf hingewiesen wird, wie hart Rihanna arbeitet (3 Alben in 18 Monaten) und dass sich ihr Erfolg auch auf ihrer „work ethic“ begründet. Insofern passt ihr Erfolg ganz gut zum amerikanischen Traum, der das Land wahrscheinlich noch immer irgendwie zusammenhält. Man kann vielleicht sogar sagen, dass diese Cinderella-Träume sehr weit verbreitet ist, wie die unablässig erfolgreich laufenden Talentshow-Formate in aller Welt belegen. Fakt ist, dass Rihanna extrem gut aussieht, über eine interessant Alt-Stimme verfügt, die von vielen als „sexy“ apostrophiert wird, (wie es wirklich im ihrer Gesangskünste steht ist schwer zu sagen) und genug Selbstbewusstsein besaß, um es zum Vorsingen vor den Produzenten zu schaffen. Einmal im System angekommen, wurde sie dann von hochkarätigen Produzententeams mit Hitgarantie betreut. Interessant ist aber, dass Rihanna erst mit der dritten Platte die volle Anerkennung als internationaler Superstar bekommen hat, bei der ein stilistischer Wechsel hin zu einem schärferen Profil stattfand, der wiederum auf das Einbringen von eigenen Ideen Rihannas beruhen soll. Ob dem wirklich so war, kann aus der Ferne schwer beurteilt werden. Auf jeden Fall hat die Neuausrichtung ihres Images sicherlich dazu beigetragen, das Produkt „Rihanna“ auf eine neue Stufe zu hieven. Bei allem muss man bedenken, dass sie erst 19 Jahre alt war, als „Good Girl Gone Bad“ herauskam. Dies hat mit Sicherheit dafür gesorgt, dass sie sich als Projektionsfläche für weibliche Teenager sehr eignet und (natürlich) als Sexualobjekt für männliche Hörer aller Altersklassen. Aber es gibt sicherlich auch innermusikalische Gründe, warum z.B. “Umbrella” ein derartiger Erfolg geworden ist. Hinweise geben einige Aussagen der Beteiligten, so z.B. Tricky Stewart: “When [Rihanna] recorded the 'ellas,' you knew it was about to be the jump-off and your life was about to change if you had anything to do with that record.” Am Ende war es wahrscheinlich die Passung von musikalischen Qualitäten und dem neuen Image. Grund genug, sich „Umbrella“ etwas genau anzuschauen.
2. Analyse von „Umbrella“ (Rihanna feat. Jay-Z)
Aufbau
Der Track ist wie ein klassischer Popsong aufgebaut. Er beginnt mit einem 4- taktigen Schlagzeugintro, über dem „Ah“s und „Uh“s und andere Injektiven von Jay- Z zu hören sind. Daran schließt sich ein kurzer über Schlagzeug und Synthiebegleitung gesetzter Rap von Jay-Z an, der acht Takte dauert. Im Hintergrund sind dabei bereits einige „eh eh“ Rihannas zu hören, die auf dem Hook des Postchorus verweisen. Der Inhalt des Raps dreht sich eher kryptisch um das Überleben der Börsenkrise und endet damit, das Jay-Z („Jay, the Rain Man) das folgenden Lied und im besonderen Rihanna („Little Ms. Sunshine“) ankündigt. Viele Rezipienten und Kritiker scheinen diesen Rap aber als eher störend zu empfinden („seems like this guy’s lost complete interest in rapping“) und war angeblich eine Überraschung für Rihanna, die von Jay-Z Gastauftritt nichts wusste und sich darob sehr geehrt fühlte. In der Tat wirkt dieser Rap im Song eher „fremd“ und erscheint mehr oder minder aufgepropft. Jay-Z hat einigen Quellen zu Folge auch ohne Kenntnis des eigentlichen Songtextes seinen Rap verfasst, was die Disparatheit erklären würde. Kommerziell war dies aber wohl ein guter Schachzug, er passt in die „Featuring“-Manie der letzten Jahre, bei dem sich die Stars gegenseitig featuren, u.a. um sich gegenseitig weitere Käuferschichten durch die Zugkraft des Namens des jeweils anderen zu erschließen. In diesem Fall hat es Rihanna und Jay-Z sogar einen Grammy für die beste Rap/Song-Kollobaration eingebracht. Nach diesem Rap- Intro setzt der eigentlich Song ein. Er besteht aus einer 8-taktigen Strophe (A) über einer 4-taktigen Akkordfolge, darauf folgt ein ebenfalls 8-taktiger Refrain (B) über eine andere 4-taktigen Akkordfolge, gefolgt von einem wiederum 8-taktigen zweiten Refrain (Postchorus, C), der über eine Variante der Strophenakkorde läuft. In diesem Teil wird nur die letzte Phrase „Under my Umbrella“ des Refrains wiederholt und der berühmte „ella ella ella eh eh eh“-Hook gesungen.
Die Gesamtabfolge wird wiederholt, worauf sich eine 8-taktige Bridge (D) über neuem Akkordmaterial und deutilichen Charakterwechsel anschließt, die in einem letzten Chorus/Postchorus-Teil mündet. Beendet wird das Stück durch ein 6-taktiges gesungenes Outro mit Codaanmutung, das aus der Strophe entlehnt ist. Der Song fadet schließlich aus. Zusammenfassend haben wir also folgendes Schema:
Intro | Rapintro (A) | ABC | ABC | D | BC | Outro(A)
In dem werden die nachstehende Akkordfolgen benutzt: Strophe (A):
|| Gbmaj7 | Db(maj7)/Ab | Fm7 | Bbm7||
Chorus (B):
||Gbmaj7 | Db | Ab | Bbm7||
Postchorus (C):
||Gbmaj7 | Dbmaj7/Ab | Fm7 | Bbm7||
Bridge (D):
||Cb|Gb|Db|Db (AbBb)| Cb|Gb|F7 |%||
Akkorde und Harmonie
Die Akkorde für „Umbrella“ stammen in den Strophen und Refrainteilen allesamt aus Bb-Aeolisch, in der Bridge geht es kurz nach Db-Dur. Basis der Akkordfolgen der Teile A, B und C ist jeweils der Wechsel von VI im ersten zu Im im letzten Takt, dazwischen liegen jeweils verschwiedene Akkordvarianten. Die Strophe (A) geht diesen Weg über Quintsektakkord der Tonikaparallele (tP) Db(maj7) und Molldominate (d) Fm7. Der Refrain (B) bewegt sich dagegen in prominenten Quintschritten aufwärts (bzw. Quarten abwärts) über Tonika und Dominante von Db, was insgesamt eine Rotation des „The Passenger“-Schemas Im VI III VII darstellt (vom zweiten Akkord aus gesehen). Diese Schema wird u.a. auch im Refrain von Lady Gagas „Alejandro“ (2010) oder in Milows „You and Me“ (2011) benutzt. Ebenfalls zu finden ist diese Akkordfolge in den Strophen von „Easy Silence“ von den Dixie Chicks (2006), wo auch die Akkordfolge von A auftaucht, zudem in vergleichbarem Tempo und mit ähnlicher melodischer Gestaltung. Wir befinden uns hier also auf erprobtem und sicheren harmonischen Terrain, wie es für einen Hitsong auch zu erwarten war. Der Postchorus benutzt im Wesentlichen diesselbe Akkordfolge wie die Strophe. Die Bridge basiert auf den aufsteigenden Quinten des Refrains (B) nur eine Quarte höher in Ebm, bzw. da der letzte Akkord im Vergleich zur Strophe weggelassen wird, genaugenommen in der Tonikaparallele Db-Dur. Am Ende der Bridge steht dann über zwei Takte die Dominatseptakkord F7 von Bb-Moll, die sich aber in nicht zur Tonika auflöst, sondern in den Tonikagegenklang tG (VI. Stufe).
Instrumentation
Die Instrumentation des Songs ist eher spärlich, ganz im HipHop-Stil gehalten. Getragen wird das Ganze von einen prominenten laid-back HipHop-Groove, der laut Wikipedia von Tricky Stewart beim Herumspielen mit GarageBand entdeckt wurde. Es handelt sich um einen recht typischen zweitaktiger HipHop-Beat, funky, mit stark synkopierter Bassdrum, die u.a. Sechszehnteldoppelschägen auf der Eins spielt, wo auch eine prominente offene Hihat zu finden ist. Zum Drumgroove kommt ein durchgängiger (Synthie)bass, mit einem recht fetten verzerrten Sound, der rockig klingt. In den Strophen spielt der Bass jeweils nur kurze Markierungen auf der Eins, um dann im Refrain und Postchorus zu liegenden Töne zu wechseln. Über diesem Rhythmusfundament gibt es dann noch mehrere Lagen von (teilweise eher billig klingenden) hohen Synthesizern, mit zahlreichen Echoeffekten. Diese spielen den ganzen Song bis auf die Bridge über Achtelarpeggien. Dadurch und durch den Sound kann man ganz vage an Regengeräusche denken, die den ganzen Song über erklingen. In den Refrains treten liegende streicherähnliche Klangflächen hinzu. In der Bridge setzt der Bass aus und der Schlagzeuggroove wechselt, dafür ist ein Klavier zu hören, wodurch die Bridge gegenüber dem Rest des Songs sehr ausgedünnt und aufgehellt wirkt (Ein Kritiker dazu: “Sonnenloch in der Wolkendecke“). Am Ende der Bridge in der Überleitung zum Abschlussrefrain sind eher natürlich klingende Streichersynthies zu hören.
Die Stimme Rihannas scheint nicht verfremdet zu sein, obwohl man den durchgängigen Einsatz von Autotune stark vermuten kann, da dem Timbre etwas leicht künstliches anzuhaften scheint und etwas zu perfekt wirkt (auch im Timing). Der Gesang wird bis auf die Bridge von vielfältigen Echo- und Halleffekten begleitet und überlagert, die stets leise im Hintergrund zusammen mit den Synthies für eine flirrende Klangteppich sorgen und dem ganzen Sound eine leicht surreale Note verleihen. Zudem ist die Stimme vor allem an den Phrasenenden gedoppelt, was eine typische Raptechnik darstellt, und die diesen ein besonderes Gewicht verleihen, zumal diese vornehmlich auf die erste Zählzeit fallen, wo sowieso schon durch Bass und Drums starke Betonungen vorhanden sind. Die Eins wird dadurch zu einem sehr starken rhythmischen und metrischen Fokus. In der Lücke, die die Instrumentation im mittleren Frequenzbereich lässt, kann Rihannas Stimme sehr klar und prominent zum Tragen kommen. Die Gesangsweise ist auf jeden Fall eher Pop als R&B oder Soul, da bis auf gelegentliche kleine Schlenker an den Phrasenenden so gut wie keine Melismen zum Einsatz kommen. Diese Schlenker aber stechen hervor, da sie durch den gezielten und spärlichen Einsatz mehr Wirkung entfalten können. Insgesamt ist das Timbre eher dunkel und im Altregister angesiedelt. Die Ausdrucksweise wirkt ingesamt eher kühl, beherrscht und selbstbewusst und weniger leidenschaftlich oder mit großer emotionaler Geste versehen.
Melodie
Die Strophenmelodie beruht im Wesentlichen auf einem durchgängigen Rhythmusmodell und einem melodisches Motiv in drei Varianten. Beides ist prototypisch in folgendem Schnipsel aus der ersten Strophe zu sehen (einen Halbton hoch transponiert):
Die Phrasen beginnen stets auftaktig und enden meisten synkopisch auf der vorgezogenen 2. Der melodische Gehalt ist 3b 4 5, 3b 4 2 oder 2 3b 1. Interessant ist, dass die Töne in Zusammenhang zu Beginn der Strophe zu den Akkorden als gr. Septime bzw. gr. Sexte erscheinen, was ein Eindruck von „falschen“ Vorhalten vermittelt, die sich nach oben in eine Dissonanz auflösen, und so dem ganzen einen auffordernden Charakter geben. In der zweiten Hälfte der Strophe, wo die Mollakkorde zu finden sie, werden die Phrasen dann jeweils nach unten geführt, was einen eher sehnsuchtsvollen, resignativen Charakter ergibt, gerade so, als ob das zuvor Gesagte, hier schon wieder relativiert und teilweise zurückgenommen wird. Die Melodie der Refrains basiert wiederum auf drei ähnlichen Phrasen, die im Wesentlichen aus Tonwiederholungen auf Achtelbasis bestehen, manchmal mit unteren Wechselnoten und textbedingten Sechszehntelelaborationen. Die Haupttöne folgen einem fallenden Sekundgang, als ob Hindemith hier selber mit Rat und Tat beiseite gestanden hätte. Bzgl der Tonart ergibt sich eine 6 5 4 3b-Folge der Zentraltöne, die zu den Akkorden in den Verhältnissen 1 3 5 3b stehen. Die Phrasen beginnen jeweils auf der Zwei und enden auf der Eins bzw. der vorgezogenen Eins. Enbgeleitet werden die Refrains jeweils von einem etwas abgesetzten auftaktiken „because“, das mit einem kleinen Septsprung startet und danach eine gr. Sekunde nach unten geschliffen wird. Im dritten Takt ist eine rhythmisch auffällige Stelle („took an oath...“) , bei der 12 Silben in einem Takt untergebracht werden, so als ob sich jemand beeilt etwas zu sagen, wobei der Inhalt etwas untergeht und das ganze den Charakter eines Lippenbekenntnisses bekommt. Insgeam wirkt der Refrain viel dränger als die Strophe oder der nachfolgnden Postchorus. Gleichzeitig verweist diese Stelle, wie überhaupt die ganze Melodieführung, stark auf Rap, was auch nicht verwunderlich ist, denn Melodie- und Textdichter Nash ist von Haus aus Rapper und hat einer Quelle zu Folge, den gesamten Text innerhalb von 12 Minuten mehr oder minder improvisiert (ge-„freestylt“). Die letzte Phrase „You can stand under my umbrella“ wird wiederholt, um dann in eine Art Echoeffect in den berühmten Hook des Postchorus überzugehen. Das letzte Silbe „-la“ des ersten „umbrella“ steuert dabei die Quarte Eb über den zugrundeliegenden Akkord Bbm an, was einen interessanten Reizklang ergibt und als Quartvorhalt gedeutet werden kann und der signalisiert, dass hier noch nicht das Ende des Refrains erreicht ist. Der Hook besteht dann aus dem dreimaligen rhythmischen Wiederholen der letzten beiden Silben „ella“ , gefolgt von drei bis viermaligen Wiederholungen des „eh“ von „ella“. Danach wird die gesamte Phrase wiederholt, eimgeleitet durch den letzten Teil der vorherigen letzten Phrase „under my umbrella“. Das Ganze wirkt wie ein musikalisch komponiertes Echo (auch wenn dann eigentlich „la“ statt „eh“ wiederholt werden müsste, um das Echo perfekt zu machen, doch ist das „eh“ die betonte Silbe von „ella“). Dies korrespondiert mit den echten Echos der Gesangstimme, die die gesamte Zeit über im Hintergrund zu finden sind.. Der Hook benutzt nur den ersten Tetrachord von Bb-Aeolisch 4 3b 2 1 (Eb Db C Bb), vor allem dabei den kleinen Sekundschritt 3b 2 für das „ella“. Zentraler Ton ist insgesamt 3b (Db). Verschiedene Male werden auch hier Vorhaltsbildungen auf der Eins benutzt, die ganze Phrase startet auf der Drei und nach zwei Takten auf der Drei. Insgesamt ergibt sich ein Eindruck des Nachhinkens, was auch zur Seufzermotivik passt, die entweder durch die kleine Sekunde oder durch die kleine Terz wie in der mittleren Wiederholung realisiert wird. Dem gegenüber steht die leichte Vulgärität des „eh“-Sounds, der etwas patzig und trotzig wirkt und dem semantischen Gehalt des Refrains etwas zuwider läuft. Das Besondere an diesem Hook ist wohl zum einen die penetrante Verwendung des nicht gerade poetischen Wort „Umbrella“, das allerdings zumindest einen poetischen Klang hat,, und zum anderen das auskomponierten Echo, was beides eher ungewöhnlich zu nennen ist und dadurch hohen Wiedererkennungswert besitzt. Auch wen der Hook in seiner Gestaltung durchaus an Raptechniken und anderen Formen des Sprechgesangs erinnert, z.B. das „He yo, he yo“ des HipHops, das „Pick it up“ des Skas, oder sogar an der Musik der Pygmäen, wo in einem Stück genau ein solches rhythmisches „eh“ zu finden ist. Weiterhin auffällig ist, dass Rihanna nicht „umbrella“ sondern eher „umbarella“ singt. Diese kleine Abweichung von der Norm mag keine tiefere Bedeutung haben und könnte rein rhythmisch bedingt sein, und trägt zum Eindruck des Ungewöhnlichen bei und erhöht so weiter die Aufmerksamkeit.
Text
Im Song „Umbrella“ singt ein lyrisches Ich zu seinem Liebespartner und schwört und beschwört darin ewige Liebe und Freundschaft („Told you I'll be here forever“, „Took an oath I'm a stick it out till the end“), wobei vor allem die Schutzfunktion von Partnerschaften im Vordergrund steht. Diese wird eingängig in der Metapher vom Regenschirm gebündelt. Das Unbill, das die Welt zwangsläufig für einen bereithält, kann durch das Zusammensein in einer Partnerschaft gemildert werden:
Now that's raining more than ever Know that we'll still have each other You can stand under my umbrellaDer Text ist in Alltagssprache gehalten und in weiten Teilen eher schlicht gestrickt, ohne besondere lyrische Stilelemente zu verwenden. Im Grunde wird nur eine Botschaft cum variationem wiederholt und die ist Teil des Ehegelöbnisses: „In guten wie in schlechten Zeiten“. Allerdings gibt es eine interessante Umkehr des üblichen Rollenverständnisses, da hier die Frau die beschützende Rolle einnimmt. Des Weiteren wird klar, dass vor allem das lyrische Gegenüber in Schwierigkeiten steckt und nicht beide Partner: „together we'll mend your heart.“ Die Botschaft des Textes ist also primär eine Tröstende, der die caritative und protektive Funktion einer Liebesbeziehung hervorhebt. Wer dieses lyrische Du ist, ob es einen Bezug zu Rihannas Leben gibt, ist nicht klar und auch nicht wahrscheinlich, denn den Song haben Tricky Stewart und Terius Nash (aka The-Dream), zwei Männer also, innerhalb weniger Stunden geschrieben und war eigentlich für Britney Spears, dann für Mary J. Blige gedacht, die ihn aber beide nicht wollten. Man kann also davon ausgehen, dass es sich hier um eine rein hypothetische, generische Situation handelt. Etwas unverständlich sind dann allerdings folgende vier Zeilen in der ersten Strophe, wo es heißt:
And we'll never be worlds apart Maybe in magazines But you'll still be my star Baby cause in the darkDies deutet sehr konkrete Situationen an, etwa die Partnerschaft zwischen zwei Berühmtheiten, denen von der Yellow Press einen Beziehungsbruch angedichtet wird. Zudem könnten die letzten beiden Zeilen des Zitats auf einen Unfall des lyrischen Du hindeuten (unwahrscheinlich) oder metaphorisch meinen, dass man (bzw. das Lyrische Du) den wahren guten Charakter eines Menschen („shiny cars“) in Zeiten der Krise („in the dark“) nicht immer erkennen kann. Letzteres macht allerdings zusammen mit der vorhergehenden Zeilen wenig Sinn, da ein Kausalzusammenhang hergestellt wird („cause“). Das mag aber alles auch nur dichterische Hast gewesen sein, da u.a. berichtet wird, dass Nash mit Stewart die erste Strophe in weniger als einer Minute heruntergeschrieben hat.You can't see shiny cars
Vielleicht bezieht sich der Text eher auf biographische Gegenheiten von Textdichter Nash, der sich kurz nach Veröffentlichung von „Umbrella“ von seiner Frau Nivea scheiden ließ, mit der er drei Kinder hatte, wobei er als Grund u.a. angab, dass er nicht gewusst habe, wieviel mehr als nur Liebe zu einer funktionierende Beziehung gehört. Auch die Erwähnung eines Treueschwurs „took an oath“, passt eher zu einer verheirateten Person, als zu einem 19-jährigen unverheirateten Spät-Teenager cum Popstar.
Eine weitere auffällige Stelle ist in der Bridge zu finden:
You can run into my arms It's okay don't be alarmedEs scheint merkwürdig, warum das lyrische Du, dem man anscheinend schon ewige Liebe und/oder Freundschaft geschworen hat, alarmiert sein sollte, wenn es in die Arme des lyrischen Ichs flüchtet. Dies deutet daraufhin, dass etwas in der Beziehung nicht so ist, wie es sein sollte, dass ein gewisses Vertrauen nicht da ist, so dass es in dem Text eindringlich beschworen wird.
Hier haben wir also eine poptypische Situation, wo ein autobiograpisch erlebtes und lyrisch umgesetzes Motiv generische Züge annehmen kann, mit denen sich viele Rezipienten identifizieren können, da die meisten Menschen immer wieder ähnliche Erfahrungen machen. Die Verwendung eines lyrischen Dus, dass den Rezipienten direkt anspricht ist dabei zusätzlich hilfreich. Für die männliche Zuhörerschaft kann das, insbesondere im Zusammenhang mit dem Video, dass eindeutig auf dem Sexappeal von Rihanna aufbaut, natürlich auch noch weitergehende, vor allem sexuelle Wunschvorstellungen evozieren.
Gesamtdeutung
Auffällig ist, dass die vordergründig tröstliche und positive Botschaft des Textes im Kontrast zur molldominierten, von Seufzermotiven geprägten Musik steht, die eine eher düstere Atmosphäre ausstrahlt, die zudem durch den verzerrten Basssound, die beständigen Echoeffekte und das langsame Tempo (87 bpm) bewirkt wird. Darüberhinaus ist Rihannas Gesangsweise eher „impassionate, also nicht sonderlich gefühlsbetont, auch wenn bei diesem Stück einem Kritiker zufolge, die feine Balance zwischen Leidenschaft und Langeweile gut gelungen sei. Das Stück hat somit einen eher traurigen, düsteren Gesamteindruck, der aber so nicht unbedingt von den Rezipienten empfunden wird. In Internetforen wird der Song eher unter den „happy“ Songs gehandelt. Dieser Kontrast mag natürlich beabsichtigt sein, so dass in Musik eher der Regen (das Unbill) als der Regenschirm (der Schutz) ausgedrückt wird. Dies passt dann zu den oben an verschiedenen Stellen angedeuteten Interpretation, dass dieses Schutzangebot als eine letzte Beschwörung einer im Grunde bereits verloren gegangenen Partnerschaft gedeutet werden kann. Der angebotetene „Regenschirm“ ist nur noch ein Echo, kein wirklich noch umzusetzendes Angebot mehr. Hier möchte noch jemand daran glauben, dass es gut wird. Auch die durchaus sexuell verstehbare Aufforderung zum Schluss des Songs, „Oh Baby, it’s raining, come into me“, kann als letztes Aufbäumen einer Beziehung verstanden werden, wo das Versprechen körperliche Nähe das bereits unabänderliche Scheitern vergessen zu machen hofft.
Gründe für den Erfolg
Warum ist dieser Song ein derartig großer Hit geworden? Fassen wir zusammen. Zunächste die wichtsten musikalischen Punkte:
1. Der „ella, ella eh eh eh“-Hook, der ungewöhnlich und eingängig zu gleich ist (und oft wiederholt wird).
2. Der Schlagzeuggroove, der als einer der am „leichtest erkennbaren der letzten Jahre“ bezeichnet wurde. Dazu die perfekte Einhaltung der Regeln eines guten Popsongs:
1. Erprobte Akkordfolge(n). 2. Eingängiger Refrain (mit schulbuchmäßig fallenden Sekundgang), der nach einer Minute einsetzt. 3. ein Text, der den Hörer anspricht und auf dessen Thematik jeder einsteigen kann und der leicht verständlich erscheint. 4. Fokussierung auf eine eingängige und ungewöhnliche Metapher. 5. Eine interessante, „sexy“ Stimme. Schließlich noch die außermusikalische Faktoren:
1. Die Anbindung an populäre Musikstile mit sehr starken HipHop-Anteilen und Rockeinfluss.
2. Die Zugkraft von Jay-Z (auch wenn viele den Rap für überflüssig halten, andere nur diesen gelten lassen wollen)
1. Die Anbindung an populäre Musikstile mit sehr starken HipHop-Anteilen und Rockeinfluss.
2. Die Zugkraft von Jay-Z (auch wenn viele den Rap für überflüssig halten, andere nur diesen gelten lassen wollen)
3. Rihannas Vorerfolg.
4. Der unerwartete Imagwechsel.
5. Das Video und die sexuellen Anspielungen dort sowie im Text (z.B. der Regenschirm als Phallussymbol, eine nackte, nur mit Silberfarbe besprühte Rihanna, „come into me“ u.v.m).
6. Eine ungewöhnliche neo/pseudofeministische Rollenumkehr im Text.
Das Zusammenspiel von Text, Musik und Video schafft zudem viele ambivalente Bezüge, die das Stück interessant halten. Im Internet ist sogar eine (durchaus bedenkenswerte) Analyse des Stückes als satanistisches Werk zu finden. Zusammen mit dem Rap zu Anfang, könnte man auch den ganzen Text in Hinsicht auf die damals 2007 aktuelle Finanzkrise deuten (was freilich schwer mit den sexuellen Anspielungen vereinbar wäre). Diese Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten rücken dieses kurze Stück Popmusik entweder in die Nähe eines Kunstwerks, das bei näheren Hinsehen und -hören einige Rätsel aufwirft, oder sind auf Unvermögen oder Beliebigkeit der beteiligten Macher zurückzuführen, die Heterogenes zusammengerührt haben. Das zu entscheiden, sei aber dem Leser selbst überlassen.
Anhang: Text von Umbrella
Anhang: Text von Umbrella
[Intro (Jay-Z)] Ahuh Ahuh (Yea Rihanna) Ahuh Ahuh (Good girl gones bad) Ahuh Ahuh (Take three.... Action) Ahuh Ahuh
[Rap (Jay-Z)] No clouds in my storms Let it rain, I hydroplane in the bank Coming down with the Dow Jones When the clouds come we gone, we Roc-a-fella We fly higher than weather In G5’s or better, you know me, an anticipation, for precipitation. Stacked chips for the rainy day Jay, Rain Man is back with little Ms. Sunshine Rihanna where you at?
[Verse 1 (Rihanna)] You have my heart And we'll never be worlds apart Maybe in magazines But you'll still be my star Baby cause in the dark You can't see shiny cars And that's when you need me there With you I'll always share Because
[Chorus] When the sun shines, we’ll shine together Told you I'll be here forever Said I'll always be your friend Took an oath I'ma stick it out till the end Now that's raining more than ever Know that we'll still have each other You can stand under my umbrella You can stand under my umbrella (Ella Ella Ella eh eh eh ) Under my umbrella (Ella Ella Ella eh eh eh) Under my umbrella (Ella Ella Ella eh eh eh) Under my umbrella) (Ella Ella Ella eh eh eh eh eh eh)
[Verse 2] These fancy things, will never come in between You're part of my entity, here for infinity When the war has took it part When the world has dealt it cards If the hand is hard, together we'll mend your heart Because
[Chorus] When the sun shines, we’ll shine together Told you I'll be here forever Said I'll always be your friend Took an oath I'ma stick it out till the end Now that it's raining more than ever Know that we'll still have each other You can stand under my umbrella You can stand under my umbrella (Ella Ella Ella eh eh eh ) Under my umbrella (Ella Ella Ella eh eh eh) Under my umbrella (Ella Ella Ella eh eh eh) Under my umbrella) (Illa illa illa eh eh eh eh eh eh)
[Bridge] You can run into my arms It's okay don't be alarmed Come into me There's no distance in between our love So go on and let the rain pour I'll be all you need and more(oooooooooooooooooooo) Because
[Chorus] When the sun shines, we’ll shine together Told you I'll be here forever Said I'll always be your friend Took an oath I'ma stick it out till the end Now that it's raining more than ever
Know that we'll still have each other You can stand under my umbrella You can stand under my umbrella (Ella Ella ella eh eh eh )
Under my umbrella (Ella Ella Ella eh eh eh) Under my umbrella (Ella ella ella eh eh eh) Under my umbrella) (ella ella ella eh eh eh eh eh eh)
[Outro] It's raining Ooh baby it's raining Baby come into me Come into me It's raining Oh baby it's raining
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